Bereits im Jahr 1865 beschrieb der Mönch Gregor Mendel die Grundsätze der Genetik. Kreuzte er damals Erbsen mit violetten Blüten und Erbsen mit weißen Blüten, so kamen in der ersten Generation überraschenderweise nur Erbsen mit violetten Blüten zum Vorschein. Den violetten Typus nannte er anschließend dominant und den weißen rezessiv.
Diese ersten Erkenntnisse der Weitergabe bestimmten Erbmaterials bestehen bis heute und gelten auch in der Farbmorphenzucht in der Terraristik.
Nehmen wir ein einfaches Beispiel: Wird eine albinotische Schildkröte mit einem Wildtyp-Tier gekreuzt, sehen die Nachzuchten alle arttypisch aus, es handelt sich um den Wildtyp.
Laut Mendel ist der Wildtyp dominant und die abinotische Form rezessiv, da sie in der ersten Generation nicht auftritt. Werden nur die Nachzuchten untereinander verpaart, so treten in der zweiten Generation wieder albinotische Tiere auf. Deren Elterntiere, also die erste Generation, müssen das Erbmaterial des Albinos also noch in ihrem Genom enthalten haben, sonst könnten sie keine albinotischen Nachzuchten hervorbringen. Diese Mutation des Farbgens erfolgt auf Chromosomen-Ebene.
Da Schildkröten, wie fast alle Tiere, jeweils Chromosomenpaare besitzen (ein Chromosom von jedem Elternteil), ist das Farbgen auf dem einen Chromosomen mutiert und auf dem anderen nicht. Diese Tiere nennt man heterozygot.
Da das unmutierte Gen dominant ist, kommt es zur Expression der Wildform im Phänotyp, also im Aussehen. Die Albinos in der zweiten Generation treten meist zu einem Anteil von genau 25% auf. Die anderen 75% sehen aus wie die erste Generation, also wie der Wildtyp. Allerdings ist nur ihr Aussehen and des Wildtyps. Auf der Ebene des Genotyps, also der Gene, gibt es eine weitere Aufteilung.
Hier sind zwei Drittel heterozygote Tiere, die also normal aussehen, aber auch wie ihre Eltern, Albinos hervorbringen, und ein Drittel ist homozygot Wildtyp. Diese könnenalso nur normale Nachkommen ohne Mutation hervorbringen.
Insgesamt ist die zweite Generation, die von heterozygoten Eltern abstammt, also zu 25%homozygot albinotisch, zu 25% homozygot Wildtyp und zu 50% heterozygoter Wildtyp, der noch ein Albino-Gen in sich trägt.
Leider kann man nicht unterscheiden, welche Tiere der insgesamt 75% Wildtyp-Nachkommen heterozygot sind und welche homozygot sind, weshalb diese Tiere als „possible hets.“ angeboten werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie das Albino-Gen in sich tragen, liegt nämlich bei 2 zu 3, was rechnerisch 66% ergibt.
Der einzige Weg, um herauszufinden, welche der possible het Nachzuchten die mutierten Gene in sich tragen ist die Rückkreuzung mit einer albinotischen Schildkröte. Sind deren Nachzuchten zu 50% albinotisch und zu 50% normal (aber heterozygot), so war das possible het Tier ganz sicher heterozygot.
Schlüpfen allerdings nurwildfarbene Tiere, so sind die zwar alle heterozygot, doch das possible het Elterntier ist ganz sicher homozygot Wildtyp und trägt das mutierte Gen nicht in sich.
Die meisten Mutationen werden, wie der Albinotismus, rezessiv vererbt. Deshalb dauert es auch oft mehrere Jahre, bis man von einem besonders gefärbten Tier in der zweiten Generation gleich gefärbte Nachkommen erhält. Außerdem gibt es mit R&T-hypomelanistischen Rotwangenschmuckschildkröten noch eine codominante Mutation, bei der Hypos bereits in der ersten Generation zur Hälfte auftreten. In der zweiten Generation entstehen bei dieser Farbmutation sogar Ultra-hypos, also eine super-Form der hypomelanistischen Linie. Codominante Mutationen treten allerdings nur sehr selten auf. Noch seltener sind dominante Mutationen, bei denen alle Nachzuchten in der ersten Generation die Mutation im Phänotyp zeigen. Mir sind keine dominanten Mutationen bei Schildkröten bekannt, allerdings sind sie bereits vereinzelt in der Schlangen- und Leopardgeckozucht aufgetaucht.
Text von Cédric Godart, danke für die Bilder an albinoturtles.com.